Vom Ende der Erde nach Arosa

 

Am 4.9. machten wir uns auf das Ende der Welt zu bezwingen. Finisterre hatte ja einen schlechten Ruf und die Windstärken dort wurden immer höher angegeben als für den Rest der Strecke bis Muros. Es sah so aus als ob man dort entweder viel zu viel Wind hätte, oder aber gar keinen. Wir entschieden uns für zweiteres. Es war zwar Wind angesagt, aber der hat wohl kein WiFi, so kam das bei ihm nicht an. Jürgens Geduld kennt keine Grenzen und so trieb er wieder ein ganzes Stück hinter der MS Anima. Die Welle war klein und angenehm. So zeigte sich Finisterre von seiner nettesten Seite, wenn es auch recht neblig war und der Wind fehlte. Vor dem Eingang zur Bucht entdeckten uns wieder Delphine und schwammen und tollten 1 Stunde mit uns. Die frechen Dinger haben die Capitina zum Abschied noch mal ordentlich mit der Schwanzflosse nass gespritzt und sich dann verkrümelt. Sie stehen wohl auch nicht auf Motorkraft. Die Zeit verging wie im Fluge und schon waren wir da, schmissen den Anker und zogen unsere Winterklamotten wieder aus. Auf See ist es sehr kalt. Wir besuchten die Orion in der Marina und als wir uns zurück zum Ankerplatz machten, tauchte auch die Tide wieder auf und brachte eine steife Brise mit. Jürgen hat wohl während er wartete dem Wind persönlich die Nachricht von seinen 4 bis 5 Windstärken überbracht und der schloss sich daraufhin der Tide an. Der Wind in der Bucht war warm und roch nach sonnenverbranntem Gras und Staub. Wir rissen alle Luken auf und innerhalb von 5 min sank die Luftfeuchte um 15%. Endlich wieder alles trocken. Wir hatten diese leckeren Mini-Pimentos entdeckt (kleine grüne Paprika) und angebraten. Wir langten herzlich zu bis die Capitina plötzlich rot anlief und nach Luft jappste. Da hatte sich wohl eine Peperoni dazwischen gemogelt. Während Petz sich sein Essen immer mit Tabasco verfeinert, mag die Steffi ihr Essen lieber ohne Brand im Mund. Es traf nun genau sie und die Tränen liefen. Eine Tomate kann nicht roter sein als die Farbe ihres Kopfes in dem Moment. Fehlte nur die Feuerfontäne aus dem Mund und der Beweis für die Echtheit von Drachen wäre erbracht. Milch brachte die Erlösung und als sie wieder zwischen den Schlucken reden konnte, meinte sie noch nie im Leben etwas so scharfes gegessen zu haben und hatte Angst ihre Geschmacksnerven seien für den Rest ihres Lebens verätzt. Sie aß den Abend nichts mehr und überhaupt bestimmt auch keine Pimentitos mehr. Am nächsten Tag lernte die Capitina wieder was dazu. Das Fender über Bord Manöver klappte ganz gut – unter Motor. Dann durfte sie die lütte Anima in die Marina fahren. Zu ihrem Vorteil standen: kein Wind, null Welle, ein Stand in den 3 Animas reingepasst hätten und kein Boot in der Nähe. Gegen sie standen schlottrige Knie und eindeutig zu wenig Fender. Nur 2 je an den Seiten! Na wenn das mal gut ging. Es ging gut. Wenn auch etwas zu früh abgestoppt, konnte sich das Manöver sehen lassen. Schwimmen wär der Capitano nicht gegangen und die Anima schwamm noch immer, kein Leck und auch kein Kratzer. Wir legten uns dann doch noch mal um, um etwas näher am Ort des Geschehens zu sein und falls die anderen Boote die Capitina doch zu sehr irritieren sollten, entschied der Capitano selbst zu fahren und Leinenäffchen durfte wieder ihres Amtes walten. Den Tag über war wieder Arbeit angesagt. Wäsche waschen, Geschirr spülen, Diesel holen (Ach, könnte man doch Wind auch einfach in Kanister füllen!), Dinghi und Yacht entsalzen und und und – Urlaubssachen halt. Ne?! Abends gabs Barbecoa, um die Crews der Orion, der Tide und der Anima zu feiern und wir grillten im Garten der heimisch eingerichteten Marina Dorade und bereiteten ca 6 Flaschen Wein für die Flaschenpost vor. Daraufhin sägte der Capitano in der Koje an sämtlichen Masten der Marina, so daß sich die übermüdete Dame des Schiffes am nächsten Tag wunderte, daß alle noch standen - selbst der Cpitano. Es war 7:30 Uhr und uns stand ein Ausflug nach Santiago de Compostella bevor. Wir waren zu sechst: der Capitano, die Steffi, der Jürgen und unsere 3 Kater. Wir bestaunten die Kathedrale, die vielen Gassen, Parks, Aussichtspunkte und die vielen Sünder, die auf ihrem Weg der Wiedergutmachung waren. Santiago ist ein richtiger Sündenpfuhl, so viele Pilger trieben sich hier rum. Man sah ihnen ihre Verbrechen zwar nicht an, aber sie trugen als Erkennungsmerkmal alle eine Jakobsmuschel. Zum Glück sind wir mindestens zur Hälfte Atheisten und so können wir vor der Kirche nicht sündigen und somit müssen wir auch nicht Buße tun. So sieht man uns nur die süßen Sünden an :) Zu Mittag sollte es für jeden ein halbes Menü geben, mit denen man hier an den Fenstern der Restaurants wirbt. Wir wußten nicht was wir bestellten und alle Mühe der Bedienung uns das Menü zu erklären, traf so lange auf unsere großen fragenden Augen und der gähneneden Leere zwischen den Ohren, daß wir beschlossen am Ende irgend etwas auf ihre Fage zu antworten, komme dann was wolle, Hauptsache es ist essbar. Die Jungs bekamen Vorsuppe und Salat und die Dame nur Fisch. Am Ende bezahlten wir 2 ganze Menüs und ein halbes und die Getränke plus Kaffee waren nicht in Rechnung gestellt worden. Komplett verwirrt über die Restaurantgepflogenheiten Spaniens traten wir den Heimweg an, der dem Hinweg gleich kam: an allen Sehenswürdigkeiten vorbei und durch alle Parks, die wir uns schon angeschaut hatten, zum Busbahnhof und dann halb schlafend 1 ½ h mit dem Bus. Wir fielen kaputt ins Bett und auch das Sägen wurde nicht mehr wahr genommen. Den nächsten Tag war Vorbereitung für den nächsten Törn und bis zum Fingerbrechen schreiben angesagt. Das kleine hübsche Muros machten wir auch noch unsicher und so konnten wir, zufrieden mit uns, am nächsten Tag, den 8.9., Leinen los werfen. Während wir wieder motorten, kreuzte sich Jürgen gegen die gefühlten 1 Bft mit der Strömung in echter Seglermanier aus der Bucht. Wir motorten die Hälfte der Strecke und schoben die Anima wieder an den zahlreichen Rauchsäulen und Delphinen vorbei. Spanien leidet sehr unter den Waldbränden und es sieht mal wieder nach einem Rekordmonat aus. Ich hab noch nie so viele Brände gesehen und so oft verbrannte Waldstücke. Wir nehmen auch an, die gerodeten Schneisen in den Wäldern dienen der Brandabwehr. Sie sind überall auf den Hügeln zu sehen, als sei man mit seinem Bartschneider abgerutscht. Die andere Hälfte der Strecke konnten wir dann tatsächlich segeln und machten gut Fahrt – besonders in der Bucht lagen wir schön auf der Backe und genossen die schöne Aussicht. Die Arosa Bucht sah phänomenal aus. Ich war hin und weg. Weitläufig erstreckte sie sich vor uns und auf unserem Weg sahen wir zahlreiche kleine idyllische Ankerbuchten mit einsamen Strandstücken von Wäldchen umsäumt oder durch Felsen geschützt. Hier gab es viel Natur mit Felsen, Sand, Wäldern und Inselchen, die etwas an die Schärgärten in Schweden erinnerten. Die kleinen Siedlungen und die größeren Städtchen schmiegten sich sanft ins Bild ohne es zu erdrücken. Wir ankerten direkt vor dem Hafen Caraminals und besuchten die Orion die uns zur Feier von Dirk's großem Tag in die Stadt zum Essen einlud. Wir schlemmten und tranken. Immer diese anstrengenden Feiern beim Segeln ;) Petzi's selbstgebastelte PET Angel (Flasche mit Sehne umwickelt, Angelhaken und Köder), welche der Capitano erfolgreich in Mittelamerika im Einsatz sah, kam gut an. Nur leider hat er wohl auch sein Anglerglück gleich mit geschenkt, denn auch bei den ambitionierten Anglern der Orion (vornweg Nele) wollte einfach kein Fisch anbeißen. Am nächsten Tag machten wir einen Ausflug in die Schwimmbäder. Genauer gesagt: zu den Piscinas naturales. Das sind kleine Pools, die sich kaskadenförmig im Flusslauf natürlich angestaut hatten und teils recht große Becken bildeten. Wir wanderten dort hin und waren auf dem Weg noch Zeugen einer Prozession mit Dudelsackbegleitung, Marienstatue und anderer Statuen die getragen wurden und dem Priester plus Anhang. Dabei sahen wir, wie vom hinteren Teil eines Hofes gleich bei der kleinen Kirche, Raketen in den Himmel geschossen wurden. Wir fragten uns schon länger was sie zu bedeuten hatten, denn wir hatten sie schon öfter überall in Galizien gesehen und gehört. Sie gaben einen kurzen Blitz von sich und einen höllischen Knall. Die Raketen verstummten, als die Gemeinschaft der Prozession in die Kirche einzog. Also nehmen wir an, daß die Raketen zu den Prozessionen gehören. Im September finden hier in Galizien wohl auch Prozessionen zu ihren heiligen Schutzpatronen statt. Vielleicht ist das eine Erklärung für die Ballerei, trotz Waldbrandstufe 100? Wir erfrischten uns durch ein salzloses Bad in den Pools, verspeisten in der grünen Einsamkeit ein kleines Picknick und kehrten zurück, bevor die 4 h Frist fürs Kostenlos-im-Hafen-Liegen um war. Wieder komplett verchwitzt vom Rückweg, verholten wir uns, nur unter Fock treibend, in eine schöne Bucht bei Rianxo. Die kleine Bucht mit kleinen Strandabschnitten war recht abseits von Siedlungen, mitten im Grünen, hinter Viveiro-Feldern (schwimmende, verankerte Muschelfarmen) gelegen. Am Abend machten wir wieder den Grill heiß und genossen den Sonnenuntergang von einem durch hohes Schilf geschützten Felsen aus. Jürgen schwamm mal eben von seinem Boot rüber zur Bucht und auch Dirk und Nele ruderten vorbei. Es war ein schönes Szenario mit den Felsen und der kleinen bewaldeten Insel vor der Nase. Der Rückweg allerdings war etwas heikler, denn es war Niedrigwasser geworden und der Boden fiel nur leicht ab. So trugen wir das schwere motorisierte Dinghi durch die Matschlandschaft im Dunkeln über Muscheln, Steinchen, um Felsen herum, durch undefinierbare Wasserpflanzen und wer weiß was da noch so rumwuselt des nachts, bis wir endlich 40 cm Wasser unter dem Dinghi hatten und einsteigen konnten. 20m weiter und wir hätten es direkt zur Yacht tragen können. Am nächsten Tag machten wir wieder Strecke und verholten uns 3nm weiter direkt vor Rianxo. Dort gab es für alle 3 Bootscrews ganz sportlich erst mal vom Smutje selbstgebackenen Apfelkuchen. D.h. es sollte einer werden, aber da der Petzi immer etwas gaanz Besonderes basteln muss, kriegt man eigentlich nie was man bestellt und so wurde ein Schokostreusel-Mandel-Apfelkuchen draus. Aber sehr lecker. Nele verdonnerte die Capitina zu ihrer Anima-teurin und die ließ sich im Mensch-Ärgere-Dich-Nicht von vorn bis hinten beschummeln - natürlich nach ganz offiziellen Nele-Regeln. Das ganze Boot wurde zum Wurfballfeld erklärt, Seifenblasen hinterließen rutschige Flecken auf dem Boden und alles wurde genaustens von der kleinen Lady unter die Lupe genommen. Am Ende war die Capitina total alle und Nele warf sich die Bälle selber zu. Hatte wohl einen Langzeitakku und keinen Ausknopf. Man sollte Warnschilder anbringen. Aber letztendlich sowas von niedlich. Zum Unglück der Eltern schaute sich das Nelchen auch gern was von der Steffi oder dem Capitano ab und so mußten Flip Flops besorgt werden, die Fußnägel lakiert, mit einem Ball das Ellenbeugenschießen geübt werden und kein Angelladen wurde mehr ausgelassen. Man weiß nie was ein kleines Mädchen so alles aufschnappt.

Nachts nahm der Wind stark zu und die Anima tanzte im Takt zu der Wantenmusik. Als wir morgens aus dem Niedergang schauten war die Tide verschwunden und über Funk erfuhren wir daß er sich schon mal in den Hafen von Rianxo verlegt hatte. Die Wellen hatten Schaumkronen und die Ankerkette krächzte. So sahen wir uns gezwungen auch umzulegen und uns in den Hafen zu verholen. Es war noch mehr Wind angesagt. So lernten wir Rianxo kennen. Die kleine Stadt mit sehenswerter Kirche und süßen Gängen und Wegen und toller Strandpromenade war schnell erkundet. Danach war shoppen angesagt und da hier die Chino-Läden weit verbreitet sind, kauften wir dort gleich noch eine LED Lampe, eine Schwimm-bzw. Wäscheleine, Nagellack und sonstigen Krimskram zum Verschenken und behalten. Halt alles was man so nicht braucht, aber nutzen kann. Letztendlich haben sich die Sachen doch bewährt und die Capitina hat ne Hängewäschespindel und der Capitano eine Ankerboje aus nem Ball, ein Stück Netz und Wäscheleine gebastelt bekommen.

Am Nachmittag gingen wir mal getrennte Wege. Sozusagen für die Abwechslung, da man sonst ja ständig wie in einem Hühnerkäfig aufeinander gesperrt ist. Die Capitina konnte im Boot ihren 'Krach' hören und der Capitano bewegte sich, vom Marinagebäude aus, im Internet umher. Abends wieder vereint wurde gemeinsam gekocht und sich ausgeglichen in die Kojen verfrachtet. Auf so engem Raum kommt es sicher mal zu Streitereien an Bord., aber im Großen und Ganzen verstehen wir uns und extreme Lautstärken oder anderweitige Dramen bedienen wir nicht. Endlich nahm die Capitina auch mal wieder – das 2. Mal auf der Reise – die Okulele in die Hand und übte. Sie hielt es 3 Tage durch 10min zu üben, dann war wieder vorbei mit den guten Vorsätzen. War aber immerhin schon öfter als der Capitano das Französisch Buch rausgeholt hatte. Ja – die 2 passen zusammen :) Den nächsten Abend verbrachten wir vor der Südseite der Insel Arosa vor Anker. Die Capitina probierte ihr Schnorchelzeug aus und war zum 1. Mal länger als 10 min im Wasser. Zu sehen gab es allerdings nichts, da der Kopf schmerzte wenn man ihn zu lange unter Wasser hielt. Jürgen beschallte uns abends schön zum Gläschen Wein mit Oldies und wir beobachteten amüsiert einen deutschen Kat, der nach 10 Versuchen des Ankerschmeißens aufgab und wohl die nächste Marina ansteuerte. Am nächsten Morgen machten wir uns mit achterlichem Wind wieder auf Richtung Vigo.

aktualisiert: 04.11.14

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