Stadt der 2 Gesichter

 

Am 20.9. früh morgens verabschiedeten wir uns von Viana Do Castelo.

Wir hatten guten Wind und die Atlantikwelle war eigentlich angenehm – nur die Capitina war wieder so müde... Ich verschlief das schöne Wetter und der Capitan segelte sich mit achterlichem Wind und unter großer Genua zufrieden.

Die Hafeneinfahrt von Leixoes wirbelte uns die Gischt ins Gesicht. Der Wind hatte zugenommen, aber in der Einfahrt durch Düsenwirkung noch mal ordentlich nachgelegt. So wurde ich auch wieder wach. Beim Anlegen sprinteten gleich 3 Marinaangestellte zur lütten Anima. Sie verschnürten die Dame an den Klampen als käme gleich 'ne Sturmflut. X mal rum, so daß man nicht mehr wußte ob Klampe oder Poller drunter versteckt waren und anscheinend haben sie hier das gleiche Problem mit den Kopfschlägen beim Festmachen wie ich. Alle 3 Männer haben es falsch festgemacht. Das Lachen verging mir, als ich es wieder entknoten mußte. Die Marina war freundlich, bewacht und gut gelegen. Die Anbindung an Porto über Metro oder Bus ganz einfach und preiswert. Wir trafen die Orion wieder und hatten wieder viel zu erzählen. Die kommenden Tage waren heiß und zu Petzen's Leidwesen wurde aus dem Portoausflug erst mal ein Shopping und Erkundungstag in Leixoes. Wir wanderten erst ewig weit, weil wir den falschen Bus nahmen und dann per Zufall kamen wir dann an einem riesigen Einkaufszentrum (Mar Shopping) vorbei. Pech für den Capitano. Dann noch in den Decathlon (Sportparadies) neue Sonnenbrillen besorgt und als wir zurück waren, war es schon später Nachmittag. Wir wollten uns noch im Meer abkühlen, was sich als Herausforderung darstellte, denn die Wellen waren so hoch, daß man schon im knietiefen Wasser von ihnen umgestoßen wurde. Es ging nur mit der folgenden Strategie: mit Anlauf über den ersten Kamm springen und mit der zurücklaufenden Welle schnell ins tiefere Wasser laufen, kurz tunken und vor der nächsten Welle wieder an den Strand rennen. War trotzdem eine schöne Erfrischung. Wir probierten noch Hackysack am Strand. Ist von abzuraten, weil der mitgeschleuderte Sand in den Augen brennt und es knischt beim Kauen. Hier gab es viele Surfer. Meist mit Bodyboard und einige auch mit Surfbrett. Wir bestaunten ihre Aufwärmübungen in ihrer engen, nichtsversteckenden Neoprenhaut. Junge Draufgänger und alte Opas schwangen da ihre Hüften und machten Übungen, die in anderen Ländern sicher anstößig sind, wenn man als Frau nicht sogar gesteinigt werden würde dafür. Am Abend wollten wir zum Hafenfest deren laute Musik uns von weitem schon ab 17 Uhr beschallte. Als wir ca um 9 dort ankamen waren die Buden, die wir morgens beim Aufbau beobachten konnten, schon abgebaut. Wow! Beim Feiern muß man hier aber schnell sein. In der Zeit hätten wir in Berlin grad mal ein Bierchen am Tresen geschafft und vielleicht 1 mal noch das Klo aufgesucht. Nur die 2 jungen Norweger am Steg gegenüber waren von den Zeiten unbeeindruckt und sie feierten noch mit 2 schlecht englisch sprechenden Spananierinnen, die partout nicht mit ihnen ins Boot wollten, bis in den Morgen hinein und unterhielten so die ganze Marina von ihrer Plicht aus. Ob das die spanische Mentalität ist, daß man trotzdem der andere einen offensichtlich nicht versteht, immer weiter erzählt und immer schön laut, als läge das Unverständnis an der schlechten Akustik? Am nächsten Morgen als wir in den Bus nach Porto stiegen trafen wir sie wieder. Sie haben die überschminkten Damen in ihren engen kurzen Spitzenkleidchen, also „die mit den Gardinen an „(Zitat von Jürgen), wohl doch noch überzeugen können.

Porto besichtigten wir eingehend zu Fuß. Wie bei allen Erkundungen starteten wir mit Cafe Solo am Anfang und bendeten die Tour ebenso mit einem Tässchen, was dann aber schon das 3. oder 4. sein konnte. Wir schlenderten vorbei an abrisswürdigen Häusern, Häusern mit Baumbewuchs anstelle von Dächern, mehrstöckigen Häusern bei denen Fenster und Balkone offen standen und die sich blätternden Eingangstüren mit Vorhängeschlössern verriegelt waren. Bei anderen Häusern veranlassten uns die Dächer und Balkone die Straßenseite zu wechseln, um nicht erschlagen zu werden. Das Erstaunliche war, daß sich in einer Häuserreihe die heruntergekommene Fassade direkt mit der modernisierten und aufpolierten abwechselte. An ein marodes Haus schmiegte sich gleich ein modernes und in mancheinem baufälligen Gebäude war Parterre eine klimatisierte, marmorierte und blitzeblanke Bankfiliale integriert. Die Touristengebiete entlang des Douro waren natürlich restauriert, ebenso wie die Monumentalbauten im Zentrum, das an den Pariser Platz oder den Ku'damm erinnerte. Wir schlenderten über die Eiffelbrücke, an den Portweinbooten am Fluß entlang und kosteten in einem Portweinhaus 3 Varianten des süßen Sirupgetränkes durch. Auf dem Rückweg schenkte uns die untergehende Sonne von einem Hügel aus ein unvergessliches Bild dieser schönen Stadt, das mit der glitzernden Wasserader, den Brücken, den Kirchtürmen, den rotglühenden Dächern der Portlager im Hintergrund und mit dem zu unseren Füßen liegenden Ruinenviertel, das verlassen und vollkommen von einem Pflanzenteppich überwuchert, einen surreal anmutenden Kontrast ergab. Am Abend lernten wir in Leixoes, daß man sich auch an die portugiesischen Restaurantgepflogenheiten erst einmal gewöhnen muß. Während die Männer schon mal Platz genommen hatten war ich noch vor dem Restaurant meiner Sucht nachgegangen. Als ich herein kam grinsen mich die Jungs mit leuchtenden Augen an und auf dem Tisch steht schon ein komplettes Buffet. Auf die Frage, was sie denn bloß der Bedienung erzählt haben, meinten sie : nichts. Wie beim Tischlein deck Dich stellte die Kellnerin einfach alles hin. Wir waren hungrig und bedienten uns und bestellten noch zusätzlich 3 Gerichte. Im portugisieschen Fernsehen verfolgten wir im Restaurant-TV die Bundestagswahl und amüsierten uns stundenlang über das Buffet. Pappesatt bekamen wir die ebenfalls satte Rechnung. Von den Vorspeisen, die man uns in Fülle auf den Tisch gepflanzt hatte, wurde alles Verspeiste einzeln abgerechnet. Aber wie auch in Spanien hielt sich der Betrag in Grenzen und war mit deutschen Preisen nicht zu vergleichen.

Die nächsten Tage war warten auf günstigen Wind angesagt. Bei dem Südwest konnten wir nicht weiter Richtung Lissabon. Wir wuschen Wäsche, gingen Lebensmittel bunkern (Petz, der Gourmet, lief einmal zum LIDL und wieder zurück und brauchte 3 h), reparierten hier und da ein paar Dinge, reinigten mit Neele und ihrem Köcher das Hafenbecken, lernten Piraten kennen, die mit selbstgezeichneten Karten über die Biskaya sind, Schweden, die Einhand mit noch kleineren 'Yachten' als Jürgen's Leissure 23 um die Welt wollen – die verrückten ;) und ehemalige deutsche Bürgermeister auf Abenteuerreise kennen. Petz und ich passten mal einen Tag auf Nele auf. Wir säuberten, auf ihren Wunsch hin, das Hafenbecken mit ihrem Köcher, wobei ich ihr den Unterschied zwischen Biomüll und normalen Hausmüll erklärte, um nicht die Erdbeerschniepel oder gar die tote Möwe, die ab und zu vorbei schwamm, raus ziehen zu müssen. Sie machte das hingebungsvoll und hatte Spaß daran die Stege immer wieder ab zulaufen, um Kippen, Schnüre und allen möglichen Schmu, wie kaputte Plastekörbe oder löchrige Fischertonnen raus zu fischen, um sie eventuell weiter zu verwenden, als Plasteeimer zum Beispiel. Petz brachte sie zum Weinen, weil er die falschen Fische (belastete Putzerfische im Hafen) mit ihr angeln wollte und versucht hatte ihre Angel kaputt zu machen (Er wollte ihr nur zeigen, daß sie ganz biegsam ist). Ich hatte Mühe sie abzulenken und als ich ihr meine Okulelekünste vorführte, die ich mir bis dahin auf der Reise erworben hatte, brachte sie MICH fast zum weinen, als sie meinte, das hört sich schrecklich an. Daraufhin hörten wir vom Stick erst mal IZ und spielten Playback und Luftokulele und anschließend tanzten wir uns den Frust mit FooFighters, Luftgitarre und Pogen von der Seele. Nach Cinderella, diversen Lehrfilmen von der Maus z.B. über die Herstellung von Gummibären und Zubettbringen, durften wir sie wieder der Obhut ihrer Eltern überlassen und ich fühlte mich entlassen. Fix und Fertig war ich. Petz hatte sich nach dem Angeldisaster dezent aus der Affäre gezogen und sich dem wichtigen Problem des nicht erziehbaren – pardon – ausziehbaren Spibaums gewidmet. Ich hoffe nur er zieht daraus keine falschen Schlüsse, wie es mit der Aufsicht der eigenen Kinder in der Zukunft aussehen könnte. Biskaya auf einem 8m Boot – OK. Ein Kind mehrere Tage allein an der Backe – Nervenzusammenbruch. Ab dem 24. wurden die Tage regnerisch und nachts stürmte es. Die Stege knarzten um die Wette und wir wollten lieber nicht wissen, warum die Stege an manchen Stellen mit Spanngurten umzurrt wurden. Wir durchstreiften Leixoes, Martoshinhos und am 29.9. veranstalteten wir einen Grillabend auf dem Steg. Petz und Jürgen bespannten den Raum unter der Stiege zum Ponton mit Planen und aus einem alten Müllcontainerdeckel und Steinen wurde ein Tisch gebastelt. Zerschnittene Plastebeutel ergaben das Tischtuch und die Sitzkissen wurden wasserfest, indem wir sie in Plastebeutel packten. Zum verregneten Dinnerabend trafen sich die Crews der Orion, der Piraten im zweiten Versuch, der Tide, und der Anima. Friedrich aus Schweden, der mit seiner 6m Segelyacht unterwegs war, kam auch noch hinzu. So saßen wir dick eingepackt und grillten was jeder so mit gebracht hatte. Es wurde ein schöner und langer Abend. Am 1.10 um 8 klingelte der Wecker. Porto: die Zweite stand auf dem Programm. Dort besuchten wir diesmal auch eine Ausstellung im Museum für portugiesische Fotografie, welches früher einmal Gefängnis und Gerichtshof war. Wir beschauten uns die beeindruckende Ausstellung des Photojournalismus mit kritischen Bildern und Recherchen, sowie die zahlreichen Photo- und Videoapparate der Sammlung. Berühmt ist das Museum allerdings für den schlechtesten Automatencappuccino der Welt. Lauwarmes Zuckerwasser!

Im Mercado kauften wir uns eine Marmela um nachher herauszubekommen, daß es sich dabei um eine Quitte handelt. Angebraten mit Speck und Bohnen dennoch sehr zu empfehlen. Wir hatten ja schon mal Xuxu auf gut Glück gekauft und die war super. Die Leute in Porto sind sehr freundlich und als wir mal etwas ratlos auf den Stadtplan schauten fragte gleich ein Herr ob er uns helfen könnte. Mit 1 2 Brocken Englisch verstand er uns und brachte uns persönlich zu einem kleinen versteckten Restaurant mit Imbissflair, in dem nur Einheimische bei Wein und Zeitung saßen. Die Bedienung verstand uns nicht aber führte uns die Speisen sogar vor, damit wir eine Auswahl treffen konnten. Ich Schnitzelmenü, Männer das Fischmenü. Für 7 Euro gabs Wein, Salat, Vorsuppe, Hauptspeise und zum Abschluß einen Cafe. So gut gestärkt erklärt sich auch warum wir den Rückweg nach Leixoes zu Fuß antraten. Zuerst allerdings fuhren wir mit der typischen Bimmelbahn zur Duoromündung, beobachteten die recht hohen Wellen, die sich auf die Molen und darauf befindliche Angler und erschrockene Touris ergossen und ich ließ mich im Minigolf von einem Sportlehrer und einem ehemaligen Badmintonprofi besiegen – natürlich nur um nicht an ihrer Ehre zu kratzen ;) Der Heimweg war lang und anstrengend, aber er führte direkt am Meer entlang und durch kleine Vorstädte. Der Sonnenuntergang am Meer, der abwechslungsreiche Weg und das nebelverhangene Ziel vor Augen entschädigten auch dafür, daß wir an kranken Möwen, Möchtegern - Kampfhunden und an beschissenen (von den genannten Hunden) Wegweisern vorbei mußten. Ein schöner Tag ging zu Ende. Den Rest der Tage verbrachten wir mit weiter warten.

Petz erzog sich seinen Spibaum und ich baute eine Ankerboje aus einem Ball und einem Netz. Wir beschäftigten uns mit der Schimmelbekämpfung im Salon und der hohen Luftfeuchte von über 84%. Wir gingen die Markthallen in Martosinhos besichtigen, shoppen, Handwäschen bis zur Schmerzgrenze wringen, und werkelten am Internet und dem Boot rum. Ich kaufte die teuerste Paprika meines Lebens. Sie war gelb und nicht gold! Ich übersah allerdings den Preisaushang für die gelben Pimientos und bezahlte 1Euro 13 für eine einzige Paprika. Uiuiui! Beschämt über meinen naiven Schnellkauf, gab ich sie nicht zurück. Diese edle Frucht wurde aber dann auch in einer feierlichen Zeremonie extra würdig pur verspeist.

Anfang Oktober wurde das Wetter besser und die Prognose sah gut aus für Lissabon. Am 5.10. setzten wir die Segel. Wir nahmen schon mal Abschied von Jürgen, der als der einzige Segler, den wir kennen, für die Reise von Deutschland hier her nicht mehr als vielleicht 15l Benzin verbraucht hat. Er würde seinem Prinzip treu bleiben, während wir schon die Dieselfock seit Stunden fahren würden. Daher würde er wohl auch nicht direkt nach Lissabon nach kommen und wir wären dann vielleicht schon weiter. Wie kann man sich irren.....

aktualisiert: 04.11.14

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