Zwischenbillanz eines Greenhorn nach einem Jahr in der Seglerwelt

Die Chance die Klampe richtig zu belegen liegt jetzt bei 50%..... Gegen etwaige Zurechtweisungen Dritter bin ich immun geworden - Also doch ein Erfolg! Stopperstek, Schnellpalstek und Weblein um den Poller (auch 50%ige Richtigquote) sind dazu gekommen, plus ein Augspleiß. Dann wäre ich bei 200%iger Gewinnquote zu den Knoten die ich vorher konnte – sieht man den Schnellpalstek als neuen Knoten an und vergißt man, daß ich den Augspleiß wohl nicht noch mal hin bekomme. Aber alle Statistiken sind ja bekanntlich gefälscht. Ich kann 3 Akkorde auf der Okkulele mit hinschauen. Also auch was dazu gelernt. Mein Spanisch hilft – wenn auch nur sporadisch. Ich weiß jetzt, daß die Müdigkeit von Seekrankheit herrührt mit Gewißheit. Auch wieder etwas schlauer als vorher. Ich probiere noch alle möglichen Rezepte dagegen durch. Nun zu einer ganz besonderen Ehre: Wir haben den Dr. Dehl Preis der Vega-Klassenvereinigung bekommen. für die Reise von Berlin nach Portugal. Hey! Wenn das nicht mal richtig stolz macht! Herzlichen Dank für diese großartige Anerkennung. Noch vorzuheben für unser gewachsenes Ego sei, daß Logbucheinträge von uns in der Segler-Zeitung Nr. 3/2014 und im Info-Heft des Berliner und des Brandenburger Segelverbandes stehen. Vielen vielen Dank Thommy! Ich fühle mich geehrt, auch damit anzugeben. Bitteschön, liebe Deutschlehrerinnen: Ess gät doch einzik und allain um Ihnhald! Andere geniale Schriftsteller werden erst post mortem bekannt. Ich hab in einem Jahr 2 Veröffentlichungen, eine Auszeichnung UND kenne den Präsidenten Frankreichs persönlich! - Das wird doch 'ne rosige Zukunft und das während ich noch lebe! Nun aber wieder Butter bei die Fische und zurück zum ernsten Inhalt meines Erfolgsromans ;) :

Ankommen ist schön und besonders wenn man ein Ziel vor Augen hat, das man sehen wollte. Noch schöner sind die Überraschungen, wenn man irgendwo ankommt, wo es noch toller ist, als man erwartet hat. Davon gab es viele! Besonders an der spanischen und französischen Atlantikküste mit der Inselwelt und den Rios. Wir haben jetzt schon sehr viele schöne Mitbringsel und das Beste ist jenes, das sich auch freut, das man es bei sich hat. Alles in Allem ist es anstrengend und oft langweilig an Bord, aber alles Gesehene und Geschehene entschädigt nicht nur, es ist es auch wert! Meine Haare sind jetzt wieder so blond, wie ich sie als letztes als 5jährige hatte. Leider setzt die Sonne nicht auch die Falten und die Pfunde wieder auf mein 5jähriges Level zurück. Schleusen ist immernoch ein Graus. Pfleger Petz hat deswegen auf die Konfrontationsmethode gesetzt. Zur Heilung stehen mir jetzt über 150 Schleusen in den Kanälen bevor. Na- das zähle ich noch nicht zur positiven Billanz, sondern zu den vielen Falten im Gesicht.

Nun zum Leben an Bord: Ich weiß nicht, wie es auf größeren Booten ist, aber das Geschaukel hier nervt! Unterwegs gibt’s höchstens belegte Brote oder Salat von gestern, wenn nicht nur trocken Brot und Wasser. Hier zu kochen ist wie das Zubereiten im Stockfinstern auf ner Achterbahn, nur daß man sieht wie der Löffel den Topf verfehlt und die Zutaten durcheinander purzeln. Anstrengend. Das einzige was ich gerne und gut zubereite ist ein Obstsalat. Trotz Seekrankheit krieg ich den auch immer runter.

Ich seufze innerlich wenn der Steuermann etwas aus der Kajüte braucht. Ich muß meine sichere eingeklemmte Haltung aufgeben und im Takt der Wellen den Niedergang mit den hohen Stufen runter, wo nur Ballen oder Ferse raufpasst, während ich mich irgendwo festkalle. Drin alles mit einer Hand, während die andere Halt sucht. Die Füße suchen strauchelnd und sich stoßend automatisch halt. Sind auch viel zu weit weg um sie unter Kontrolle meines geschüttelten Kleinhirns zu behalten. Langsam geht’s vorwärts. Man sieht die Wellen ja nicht (was auch eigentlich nicht viel nützen würde) und so wird jede Bewegung konzentriert ausgeführt, um nicht zu fallen - Funktioniert aber nie bei mir und so plumpse ich irgendwann, gewollt oder nicht, auf eine der Seitenkoje und erhebe mich wie eine gebrechliche, alte Frau, erst im 2. oder 3. Anlauf wieder. Es braucht ewig und das durchs Kramen verursachte Chaos bleibt dann erst mal so, weil sich die Blessuren für ein wenig Ordnung nicht lohnen. Nur irgendwo hingestopft, so daß es nicht durch die Gegend fliegt und dann schnell langsam wieder raus gehangelt, bevor es mir übel wird. Zum Glück sind die Wellen nicht immer so, nur häufig und der Capitano braucht nicht so oft was. Trotz dieser und ähnlicher Erfahrungen an Bord, habe ich schon oft von Leuten die wir treffen gehört, daß sie uns beglückwünschen zu dem kleinen Boot. Wir reden hier von Leuten mit 12 Meterschiffen und mehr. Sie kommen begeistert zu unserem Boot und sagen anerkennend, daß das eine Albin Vega sei und ein tolles Boot. Als hätte ich es gebaut, bedanke ich mich freundlich für das Kompliment -stellvertretend für die stumme Dame. Dann sagen sie meist etwas wie, daß ihr erstes Boot, oder als sie jung waren auch so klein war und daß sie damit nur Positives verbinden oder: größere Boote, größere Probleme. Aha! Ich hab wohl was verpasst! Dann fragen sie aber doch wieder ob wir zu dritt auf dem kleinen Boot klar kommen. Ihr Unterbewußtsein scheint sie dran zu erinnern, daß sie ihr tolles, kleines Boot ja wohl aus irgendeinem Grund in ein größeres getauscht haben und daß sie wohl als sie jung waren auch nicht so viel Geld hatten. Na ja. Ich sage immer daß wir gut zurecht kommen. Und es stimmt ja auch. Ich kann die dicke Yacht allein vom Steg abhalten und schnell am Ort des Geschehens sein. Wir können uns überall dazwischen quetschen und haben wenig Probleme mit dem Tiefgang. Wir zahlen weniger im Hafen – obwohl sie noch 70cm hätten raufpacken können, damit sich die 9m Klasse lohnt. Es ist immer spannend rückwärts zu fahren, weil man nie weiß in welche Richtung die Dame sich heute bemüht. Nicht ganz 10 km/h Durchschnitt sind auch nicht viel langsamer als 16! Wollte ich schon immer mal feststellen! Noch platzt mein Schapp nicht von den gekauften Klamotten und wenn ich mir vorstelle auf noch größerem Raum bei den Alltagserledigungen durch die Gegend geschubst zu werden, hätte ich Tollpatsch bestimmt schon ne Gehirnerschütterung. Mehr Platz zum Fahrt aufnehmen während des Fallens erhöht die Wucht des Aufpralls ungemein! Klar gibt es immer Verbessungsvorstellungen. Und ich würde mir einiges anders wünschen (z.B. Cabrioverdeck statt Regenschirm gegen die Sonne oder festinstallierter Tisch der nicht im Weg rumsteht und auf den ne Seekarte passt), vielleicht auch noch einen Sitz davor, aber es genügt uns und es gehört uns – oder dem Petz! Wir stehen uns meist nicht im Weg rum. Für 1 bis 2 Jahre Auszeit mit 2 ¼ Crewmitglieder ist es vollkommen ausreichend und wenn auch keine Kunstdrucke aufgehangen werden können, passen die Grußkarten vom Abschied unserer Freunde allemal hinter die Leisten geklemmt. So -ich hoffe ich habe diese uns oft gestellte Frage nach dem wie es an Bord so geht mit 2 Leuten, einem Hund und weniger Platz als mein Kleiderschrank daheim, ist beantwortet. :) Kleine, ehrliche Zugabe: Während der Petz in jedem Hafen seinen Rundgang zur Bewunderung anderer Boote macht, fallen mir immer nur die schönen Traditionsschiffe, Mehrmaster aus Holz oder Stahl auf. Cargos könnte ich auch stundenlang beobachten. Also: würde ich im Lotto gewinnen, würde ich mir nicht nur ein viel größeres Schiff, sondern auch gleich ne 20köpfige Mannschaft kaufen – die bräuchte ich nämlich dann um das Boot vom Steg abzuhalten. :)

Was noch zu Buche schlägt: Der Capitano und ich sind noch immer zusammen und bilden ein gutes Team in jeder Hinsicht. Noch keiner saß allein im Schlauchboot und wichtige Entscheidungen oder Probleme werden ausdiskutiert, oder wir Schnick-Schnack-Schnucken drum, wie bei größerem Abwasch. Ich frage mich zwar immernoch, wenn ich seekrank unter Deck zum Hundeberuhigen abgestellt bin, oder wenn ich mir den nächsten blauen Fleck am Schienbein hole, wo jetzt genau der Spaß und der Sport beim Segeln ist, aber ich komme dem näher. Es wird nie meine große Leidenschaft werden, da bin ich sicher, aber Petzen teilt seine Freude daran mit mir, wenn es so richtig gut läuft und segelt, was mich dann ansteckt. Auch bin ich stolz auf ihn, wenn er wieder alles was mir so schwer fällt (wie die Rollreffleine festzuhalten, wenn man die Fock aufzieht) sicher und gekonnt allein bewältigt. Auch sein Wissen um den Sport ist bewundernswert. Mir geht es in erster Linie ums Reisen und wenn das, wie bei der Madeiraüberfahrt nicht geht, steht Petz zu mir und freut sich dann genauso wie ich mich auf eine Asienreise per Flugzeug. Wir zwingen uns zu nichts und stehen dazu auch mal aufzugeben, wenn es zu anstrengend wird. Christoph nimmt oft Rücksicht auf seine Crew und fährt langsamer oder in den Wind, wenn mal eine der Damen Wasserlassen muß. Das Hosehochziehen bei entsprechendem Wellengang grenzt allerdings immernoch an einen Artistikakt im Cirkus – und dann die Angst vor dem Schwappen...

Letztendlich geht es uns beiden darum einen Traum zu teilen und zu Reisen und das kosten wir auch aus. Auch wenn man kaum glaubt, daß sich auch beim Segeln viel um Alltag dreht, aber wir LEBEN hier an Bord und das bedeutet, daß alles was man zu Hause erledigen mußte hier auch anfällt, plus die Arbeiten am Boot, kein Auto für längere Einkaufsstrecken, keine Dusche und große Geschäfte werden in ner Marina auch außerhalb der 4 Wände erledigt – oft weiter Weg usw. Den Fahrtweg kann man auch steuerlich nicht absetzen – obwohl ich mich schon mal gefragt habe, ob es doch möglich wäre wenn man 'Hausfrau an Bord einer Yacht' als Beruf anerkennen würde- Das würde sich lohnen... Aber auch so, bin ich mir sicher wir werden es am Ende nicht bereuen.

Wir haben viele interessante Leute und neue Freunde getroffen. Man wird selbstsicherer im Umgang mit anderen und es tut gut wenn man sich mit Leidens(chafts)genossinnen unterhalten kann. Wir denken oft an die Lieben, wie die Raumschiffercrew mit Quirle-Nele, Jürgen den Unerschrockenen, der bunte Hund Peter, Ralf, der einen solchen hat , Jürgen, Marion und Morgan, die 3 von der Bullwinkel, die genau das gemacht haben und so sind wie wir es uns erträumen, Nick-Mick von Tucan II, der so schön erfrischend ehrlich vom Segeln sprach und seinen Traum festhält, die Crew der Seastar 2, die auch ihren Weg gehen und genießen, Friedrijk (hoffentlich richtig geschrieben) mit seinem kleinen Schiff – schon auf den Kanaren – wow – alle Achtung – und noch viele mehr, die ich nicht alle aufzählen kann. Es macht sich jetzt schon eine melancholische Stimmung breit, wenn wir an euch denken und nur so wenig Zeit hatten euch kennen zu lernen.... Das schwere Los der Reisenden. Wir hoffen auch auf NOCH positivere Billanz in der Treffensquote – vielleicht sehen wir auch die Nikita wieder... Wir werden sehen...

 

 

 

aktualisiert: 04.11.14

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