Le Chef du port

 

August ist da. Der, meiner Meinung nach, schönste Monat des Jahres – in Deutschland. Um 10 am 1.8. standen wir auf und frühstückten im dicksten Nebel. Ich war kurz panisch, weil ich dachte wir seien abgetrieben und liegen nun direkt in der Einfahrt zum Kanal. Dann beruhigte mich ein Nebelloch, daß wir noch am selben Platz wie letzte Nacht saßen. Ab und zu kamen kleine Motorboote auf uns zu, aber sie wichen alle rechtzeitig aus. Auch Fähren dröhnten an uns vorbei. Es war viel los hier im Kanal vor der Ile de Batz und so warteten wir brav den Nebel ab. Um 14 Uhr war es dann soweit und mit dem Stillwasser schlängelten wir uns den inzwischen bekannten Weg durch den Kanal entlang mit viel Verkehr von allen Seiten. Inzwischen fängt der Weststrom erst am Nachmittag an und so schaffen wir nicht viele Etmale pro Tag. Aber zum Glück ist Nipp und damit wenig Gegenstrom – aber auch mit uns. Die Zeiten mit den 9 kn sind wohl vorbei. Ich schrieb Tagebuch unter Deck und da wurde es mir übel. Wir hatten Wind gegen und Strom mit uns. Die Wellen wurden zwar immer länger aber die Windsee oben drauf schaukelte uns durch, so daß wir wie von der Ostsee bekannt in die Wellen stapften und polterten. Nur 4 kn. Die Wellen wurden immer schlimmer je weiter wir kamen und ich starrte nur noch zum Horizont. Dazu kam noch die tiefstehende Sonne vor uns und wir konnten kaum was erkennen. Fischerbojen schon gar nicht. Ich fragte nur ständig : „Sind wir schon daha?“ Ruhe mehr wollt ich nicht. Ein Königreich für Boden unter den Füßen. So rumpelten wir Stunden weiter Richtung L'aber Wrac'h. Am Ende kamen die Wellen von der Seite, so daß das Boot noch mehr schaukelte und man sich sogar im sitzen fest halten mußte. Erst kurz vor der Marina im Fluß wurde es ruhiger. Wir wurden in die Marina gelotst und ich hatte mein Frühstück bei mir behalten. Strike! :) Der Hafenmeister ließ uns noch ein paar Papiere ausfüllen und ich scherzte schon wieder als ich den Namen des „Chef du bateau“ eintragen sollte. Ich gab Petzis Namen als 'Offiziellen' Boss an, aber der Hafenmeister und ich waren uns einig, welcher Name dort stehen sollte ;) Er gab uns noch den Tipp uns vor Anker in den Fluß zu legen, weil dort der Ankergrund gut ist und es sei umsonst. Er hatte sein Boot auch dort. Wir behielten es im Hinterkopf.

L'Aber Wrac'h war mal nicht ganz so schön wie beschrieben. Die Aussicht von einem Hügel auf die Bucht war zwar überragend, aber sowas wie eine Altstadt sucht man vergebens. Ein schöner weißer Strand lag in der Bucht und viele Restaurants säumten die Promenade. In den 2 Tagen die wir dort verbrachten lasen wir viel, gingen spazieren und rüsteten das Boot aus. So zerschnitten wir zum Beispiel eine Plane und der Capitano nähte!!! es fürs Dinghi zurecht. Er verhaspelte sich zwar ein paar mal, aber die Knoten konnte man wieder lösen. Ich knipperte dafür an einem Netz für den Targabügel. Die Ankerkette wurde ausgemetert und markiert. Der Capitano hat das selbe Talent, daß ich bei Klamottenshops habe - nur bei Ausrüstern. Schnurstraks steuerten wir den einzigen ansässigen Ausrüster Laber Wrac'h's an und kauften eine neue Gasflasche, einen viel zu kleinen Fender (dem alten ging so langsam die Luft aus) und so'n Angeldingsda, was irgendwie dafür sorgt, daß der Köder ganz weit unten bleibt. Den Fender gaben wir wieder zurück und ich weiß nicht, ob das Angelteil nicht auch hätte zurück gehen könnte, weil gefangen hat der Meister des Fischerschreckens ja noch nichts. Vielleicht ist das blaue Plasteding ja auch nur ein Glücksbringer und der Capitano wollte nur nicht zugeben, daß er noch eine Menge Glück beim Angeln braucht?! Nach einem ausgedehnten Spaziergang, der durch Wald und Feld führte und nach 30 min auch zu einem Supermarkt, beluden wir uns wie Packesel mit Grundnahrungsmitteln, wie eine Flasche Wodka (hatte Hyper auf Bloody Mary) und ein paar Kilo Bier. Alles in einem Karton und einer Tüte verstaut schleppten wir uns den weiten Weg zurück zum Hafen. Für die Courage trällerten wir ein paar erdachte Liedchen mit irgendwelchen französischen Wörtern die uns gerade in den Sinn kamen zu Weihnachtsmelodien. In der 2. Nacht fing es an zu regnen und wir ersparten uns das Entsalzen des Bootes (hatten wir bis dato auch nur 1 mal gemacht, weil ohne Wind die Gischt ja auch nicht aufs Deck spritzt).

Am Abend des 2. Tages machten wir uns zum Ankerplatz auf. Die Vorhersagen sagten Starkwind vorraus. Wir schmissen den Anker in einer Flußkurve in der Mitte des schmalen blauen Streifens, den das Tablet anzeigte und der als einziger nicht trocken fiel. Es lagen mehrere Boote vor Anker und an Mooringbojen und so mußte man dicht an andren Booten ankern mitten im Flußlauf. Die Tide war immer noch über 6m. Nervös fragten wir uns ob der Anker hält und genug Leine versenkt ist. Was passiert wenn Niedrigwasser ist und wir auf die anderen Boote driften? Anima hat die schlechte Angewohnheit immer anders zu liegen als alle anderen Boote – egal wo der Wind her kommt. So schlenkerten wir ganz schön rum. Mal von einer Seite, dann zur anderen Seite des Flusses. Der Track auf dem Navi sah aus wie ein verknotetes Wollknäuel. Der Ankeralarm schlug mehrmals an, aber nur weil wir mit dem Strom mal wieder weit in die andere Richtung gedriftet sind. Am Abend kam ein Mädchen im Dinghi vorbei und lud uns auf französisch auf ihr Boot ein. Wir spielten gerade Romme und hatten auch schon etwas Wein intus und sagten ihr dankend ab. In der nächsten Minute bereuten wir es aber schon, da wir ja bisher noch niemand weiter kennengelernt hatten, bis auf sehr flüchtige Begegnungen und dem Raumkreuzer Orion. Als das nächste mal das Dinghi vorbeifuhr, diesmal mit mehr Besatzung, bestehend aus dem Mädchen, unserem Chef du Port und einem Freund, winkten wir sie heran und luden sie auf unser Boot ein. Sie dankten ab und luden uns wiederum ein. Ehe das Eingelade noch ewig so weiter hin und her ging, beschlossen wir nach zu geben und stiegen zu ihnen ins Dinghi. Wie sollte es anders sein für Franzosen: auch der Chef du Port hatte schon einiges an Wein getrunken. Wir kamen auf sein lila Boot welches genauso groß ist wie unseres, abr mehr Crew hat. Das Mädchen Marie war seine Tochter, der Meister hieß Pascal und seine Frau war auch an Bord (ich glaube Vivienne – bin aber nicht sicher). Außerdem war noch eine befreundete kleine Familie an Bord, Mika seine Frau und die kleine 1 ½ jährige Edenne. Süßes Kind mit großen dunklen Rehaugen und genauso dunklen Kringellöckchen, die sich immer tierisch freute, wenn sie Chips verteilen konnte und man sich mit Merci bedankte. Sie wartete sogar ab bis man sie gegessen hat und wirkte beleidigt, wenn man ablehnte. Wir unterhielten uns auf englisch und es ging! Sogar Pascals Frau redete mit, obwohl sie sich sehr unsicher ihres Englischs war. Sie meisterte es sehr gut und verständlich. Der Abend wurde sehr lang. Wir erfuhren, daß Mika und seine Familie seit 2 Jahren auf ihrem großen Stahlboot leben und sie sich von Mikas Marinajobs erhalten. Sie träumen auch von großer Fahrt und sehen sehr glücklich aus. Pascal hat auch schon eine Reise wie unsere unternommen und ist einhand mit einem befreundeten Boot über den Atlantik gemacht. Seine Frau meinte ihr würde seekrank und nur nachts könne sie lesen und die Übelkeit vergessen – oh wie recht sie doch hat, aber dazu später mehr. Sie flog mit der Marie in die Karibik und dort trafen sie sich wieder. Sie schwärmte vom Schnorcheln und erzählte wie schwer es war die Marie für diese Zeit aus der Schule zu bekommen und sieselbst zu unterrichten – das Mädchen war damals 12. Auch die Integration als sie zurück kamen war wohl sehr schwierig für Marie und sie schloß damit, daß wenn man solch eine Reise macht man entweder kinderlos, wie wir, ein Kleinkind an Bord hat, oder das Kind aus der Schule sein müsse, um es zu genießen. Wir bekamen noch schönen selbst gefangenen Fisch (der Capitano wa grün vor Neid und wollte natürlich wissen was das Geheimnis war) gebraten und vertilgten ihren und unseren Wein, bis wir uns sehr früh am Morgen auf unser Boot zurück machten. Wir bekamen übrigens sehr gute Kritik, was unsere Ausrüstung und Einrichtung betraf. Der Alkohol bescherte uns einen schnellen Schlaf, der auch den folgenden Tag beherrschte. Der Himmel hatte sich zugezogen und es nieselte. So entspannten wir uns und streichelten unsere Kater in der Plicht. Später wollten wir mit dem Dinghi noch in die Marina zum Schwarzduschen und Brot holen. Als wir dann im Dinghi saßen und um die Ecke motorten kamen uns die Wellen entgegen und ich weiß zwar nicht mehr was ich erwartet hatte, bei Wellen in einem kleinen Boot, jedenfalls nicht dermaßen durchnässt zu werden. Natürlich hatten wir keine Wechselsachen dabei. Ich wurde zickig. Mir war kalt, wurde irgendwie doppelt so naß wie der Petz, was ich natürlich seinem Fahrstil zuschrieb und der Steuermann wollte nicht an den Strand fahren um das letzte Stück zu laufen. Also wollte ich begossen wie ein Pudel zurück. Der Capitano erkannte zum Glück schnell meine Gefühlslage und fuhr mich mit zusammen gebissenen Zähnen zurück zum Boot. Ich brachte alles wieder ins Lot indem ich ihm vorschlug, daß er allein rüber fahren kann und mich Griesgnaddel hier zurück lassen kann. Er war sofort angetan davon, was keinen von uns wunderte. Als er schon weg war, fielen mir seine Flippflopps auf, die noch in der Plicht lagen. Er hatte es so eilig weg zu kommen, daß er sie wohl vergessen hatte und nun keine Schuhe bei hatte. Irgendwie flüsterte mir ein kleiner böser Teufel zu: Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort. Er tat mir aber dann doch leid, als er mir erzählte wie er ohne Schuhe und komplett durchnässt auf den Schotterwegen am Hafen rumtappste und dann nachdem er zwar geduscht hatte, auf dem Rückweg jedoch wieder mit Salzwasser gepökelt wurde. Ich hatte inzwischen in der Plicht mit der Solardusche eine Erfrischung genossen und den Anker im Auge behalten. Der 5.8. brachte das selbe Wetter wie der Vortag. Grau und wolkenverhangen mit viel Wind lagen wir im Fluß, der sich zwischen die Berge schlengelte und mit dem nebelverhangenem Grün der Umgebung ein melancholisches Panorama bot. Ich beendete mein 6.Buch in 2 Monaten und nun mache ich mir langsam Sorgen. Mein digitaler Büchervorrat geht langsam zur Neige und neue Bücher kosten ja auch was. Gut die Klassiker sind umsonst und 'Schuld und Sühne' war gut , einige andere kannte ich schon und bei 'Utopia' hat sich mein Gehirn verknotet, als ob ich chinesisch lesen müsste. Da stehen immer noch lausige 2% als 'vom Buch gelesen im Tablet und die Inhaltsangabe ist dabei enthalten, die ich aber ebensowenig verstanden hab. Ich dachte es wär ein Buch über eine fiktive Welt, so ne Art Urscifi. Ach egal. Schweife ab.

Am 5.8 weckte uns der Ankeralarm. Panisch sprangen wir aus der Koje und sahen wie wir auf ein anderes Boot zu hielten. Aufgeregt hielten wir uns vom Boot ab und Petz sprang zum Anker vor, während ich den Motor anließ und uns gleich wieder vom Boot abhielt. Nachdem wir etwas Luft zwischen den Booten hatten fuhr ich langsam los und der Capitano wuchtete den Anker hoch. Zusammen mit einem Ast, um den sich die Ankerkette gewickelt hatte, wohl von den ganzen Schlenkern, die wir durch die Tiden und den Wind, mit dem Boot gemacht hatten. Wir fuhren etwas weiter und schmissen ihn erneut. Erleichtert, daß alles so glimpflich abgelaufen war und wir nicht auf Grund saßen, gabs erst mal ein beruhigendes Frühstück. Wir zogen und gaben noch mehrfach Kette und ließen den Anker nicht mehr aus den Augen. Petz fühlte sich krank und hatte Kopfweh. Er schlummerte und las in seinem einzigen Buch was er bei hat. Er hat es nun zur Hälfte durch und irgendwie sieht seine Billanz an Bücherkonsum besser aus als meine. Dafür verbraucht er aber auch mehr Köderfutter für die Fische. Ich begann das nächste Buch.

 

aktualisiert: 04.11.14

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